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Ratgeber

Recht - Das Tier im Recht - Grundsätze

In der Rechtswissenschaft war das Tier lange Zeit eine reine Sache. Das hat seinen Ursprung im Römischen Recht. Man unterscheidet Rechtssubjekte und Rechtsobjekte. Schon früher war das Tier aber keine ungeschützte Sache! Die herrschende Lehre anerkennt seit langem ein Interesse des Tieres an der Wahrung von physischer und psychischer Integrität!

Was hat seit April 2003 geändert?

Ziel der Gesetzesrevision ist, dem gewandelten Empfinden gegenüber Tieren Rechnung zu tragen und diese rechtlich besser zu stellen.

Die Achtung vor dem Tier wird in einem neuen Grundsatzartikel 641 a des Zivilgesetzbuches ausgedrückt. Danach sollen Tiere nur soweit als Sachen behandelt werden, als keine abweichenden neuen Vorschriften bestehen.

Mit den neuen Gesetzesbestimmungen wird die Schweiz im Vergleich zum benachbarten Ausland ähnliche Vorschriften wie Deutschland und Österreich haben, während im französischen und italienischen Privatrecht Tiere nach wie vor zu den Sachen gezählt werden.

Keine neue rechtliche Kategorie

Mit dem neuen Grundsatzartikel 641 a ZGB erhalten Tiere die Anerkennung als lebende und fühlende Mitgeschöpfe. Sie werden nur noch insofern als Sachen betrachtet, als keine Sondernormen bestehen. Allerdings hat dieser Grundsatz vorwiegend deklaratorischen Charakter; es wird keine neue rechtliche Kategorie geschaffen. Das schweizerische Privatrechtssystem basiert grundsätzlich auf der Unterscheidung zwischen „Personen“ und „Sachen“; Rechtssubjekten und Rechtsobjekten. Tiere sollen auch nach der Revision als Rechtsobjekte betrachtet werden und keine Rechtsfähigkeit haben.

Ich werde beispielsweise nach wie vor (in den üblichen Schranken der Rechtsordnung, zum Beispiel unter Beachtung der Tierschutzbestimmungen etc.) meinen Hund verkaufen können, aber nicht er mich. Dies ist dem Recht systemimmanent und hat mit mangelnder Achtung vor der Kreatur nichts zu tun. Anders lässt sich die juristische Abwicklung von Rechtsgeschäften nicht lösen.

Insgesamt positiv

Insgesamt ist die Revision der Tierrechte als positiv zu werten. Sie ermöglichen in den wichtigen Belangen des täglichen Lebens eine dem heutigen Volksempfinden angepasste rechtliche Besserstellung der Tiere, ohne gleich das Rechtssystem durcheinander zu bringen.

Die Revision wird aber auch nicht alle Probleme lösen und allenfalls sogar neue schaffen. Die kurze Frist von zwei Monaten, wonach ein Finder Eigentümer wird, mag für Tierheime ein wesentlicher Vorteil sein, um das Findeltier rasch zu platzieren. Die Regelung könnte aber für Menschen, denen ein ans Herz gewachsenes Tierchen entläuft, unter Umständen zur bitteren Enttäuschung werden, wenn sie ihren „verlorenen Sohn“ nach zweieinhalb Monaten nicht mehr zurückfordern können.

Tieranwalt

Nicht in die Revision aufgenommen wurde das Postulat zur Schaffung von Tieranwälten. Ein Tieranwalt ist ein unabhängiger Anwalt, welcher in Strafverfahren wegen Verletzung von Tierschutzbestimmungen die Rechte des geschädigten Tieres wahr nimmt und die Strafanzeigenden vertritt. Der strafrechtliche Tierschutz greift insbesondere dann zu wenig, wenn der Halter eine Tierschutzwidrigkeit an seinem eigenen Tier begeht. Im Gegensatz zu menschlichen Geschädigten oder Opfern im Strafprozess ist das Tier ganz allein auf sich gestellt. Ein Tieranwalt nimmt Verfahrensrechte wie Akteneinsicht und Antragsrechte für die Strafanzeigenden oder das Tier wahr. Er kann die Einvernahmen mitverfolgen, Anträge zur Verfahrensbeschleunigung stellen, dem Untersuchungsrichter Hilfestellung gewähren und die Strafanzeiger informieren. Das Instrument hat sich im Kanton Zürich seit 1992 bewährt. Es wäre im Interesse unserer Tiere, wenn dies auch in anderen Kantonen eingeführt werden könnte!

Die neuen Bestimmungen im Überblick

Erbrecht: Wird ein Tier mit einer Zuwendung von Todes wegen bedacht, so gilt die entsprechende Verfügung als Auflage, für das Tier tiergerecht zu sorgen.

Fundrecht: Die Kantone müssen eine Fundstelle bezeichnen.

Eigentumserwerb / Ersitzungsfrist: Der gutgläubige Finder eines nicht zu Erwerbszwecken gehaltenen Haustieres kann nach zwei Monaten (bisher 5 Jahren) Eigentümer werden.

Richterliche Zusprechung von Tieren: Bei Auflösung einer Gemeinschaft (Ehe, Erbgemeinschaft, Konkubinat etc.) soll im Streitfall der Richter das Tier nach tierschützerischen Aspekten derjenigen Partei zusprechen, welche ihm die bessere Unterbringung gewährleistet.

Schadenersatzpflicht bei Verletzung eines Tieres: Nach der Verletzung eines Tieres können gemäss einem neuen Art. 42 Abs. 3 des Obligationenrechts auch Heilungskosten, welche den Wert des Tieres übersteigen, geltend gemacht werden.

Pfändung: In einem neuen Artikel des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes wird festgehalten, dass Tiere, die im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten werden, unpfändbar sind.

Der Hunderatgeber.ch dankt Herrn Daniel Jung für die Zusammenarbeit und das zur Verfügung gestellte Material.

Buchtipp: Das Tier im Recht, von Antoine F. Goetschel / Gieri Bolliger


Daniel Jung 8552 Felben-Wellhausen